In Colmar haben die Schweizer Architekten Herzog & de Meuron das Museum Unterlinden restauriert und erweitert, ein Flüsschen zutage gefördert, der Stadt ein neues Herz und gleichzeitig ein faszinierendes Museumsquartier geschenkt. Das Ergebnis ist sachlich, funktional, einfühlsam bis ins Detail, niemals protzig und doch spektakulär.
Auch wer kein Freund sakraler Kunst ist, sollte sich für einen Besuch Zeit nehmen, denn das Museum mit dem weltberühmten Isenheimer Altar hat seine Ausstellungsfläche fast verdoppelt und räumt damit nun auch Werken französischer Meister aus dem 19. und 20. Jahrhunderts einen festen Platz ein. Sehenswert an sich ist aber vor allem die neue Gestalt des Museums.
Fingerspitzengefühl
Die Aufgabe erforderte Fingerspitzengefühl. Es ging nicht um irgendeinen Neubau auf der grünen Wiese, sondern um den Umbau alter Bausubstanz und um geschickte Integration von alten und neuen Gebäuden im historischen Zentrum von Colmar an der Place Unterlinden. Das alte Museumsgebäude – die gotische Klosterkirche aus dem 13. Jahrhundert – wurde umgebaut, mit dem 1906 eingeweihten alten Stadtbad verbunden und durch eine Erweiterung im zeitgenössischen Stil ergänzt. Über Wendeltreppen geht es in eine unterirdische weisse Verbindungsgalerie mit drei Ausstellungsräumen, in denen Kunst des 19. und 20. Jahrhunderts zu finden ist. Sie führt zu den neuen Gebäude, dem Ackerhof, so genannt nach dem alten Bauernhof des Klosters. Das neue Ausstellungshaus trägt eine von schmalen, gotisch inspirierten Lichtschlitzen sparsam geöffnete Schuppenhaut aus gebrochenem Backstein und Kupfer. Der imposante Körper schmiegt sich sanft an die Rückfront der umgebauten historischen Schwimmhalle an. Dieses prachtvolle Jugendstilbad ist ebenfalls in das Ensemble integriert und wird künftig für die Präsentation von Installationen und zu Veranstaltungen genutzt.
Ausserordentlich gelungen sind aber die wie selbstverständlich erscheinenden architektonischen Eingriffe: die gegossenen Wendeltreppen als Verbindungselemente zwischen den Geschossen und die Verlegung des Haupteingangs zur Place Unterlinden hin. Dieser reizvolle Platz ist Dreh- und Angelpunkt des gesamten Projekts, denn er definiert den neu geschaffenen Ort mit dem freigelegten Sinn-Kanal und dem Gebäudeszenarium ringsherum. Ein kleiner Park ist entstanden, und das von breiten Sandstein-Stufen gesäumte Ufer des Flusses bietet genug Platz zum Verweilen.
Das Museum ist zuerst etwas verwirrend, die Größe von 8000 Quadratmetern befremdent. Man hat den Eindruck, sich in den Gebäuden zu verlieren, aber dank Plan (am Eingang unbedingt mitnehmen!) und mit etwas Geduld geling die Orientierung recht schnell.
Auch wer keine religiöser Kunst mag oder mit Art brut von Jean Dubuffet, der hier prominent vertreten ist, nicht viel anfangen kann, das Museum alleine ist ein selten harmonisches Gesamtkunstwerk.
Musée Unterlinden
Place Unterlinden
F-68000 Colmar
musee-unterlinden.com